Zum Inhalt Zum Hauptmenü

Blog

Fragen an Dr. Hans Peter Hutter

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf den Themen Luftschadstoffe im Außen-und Innenraum,  elektromagnetische Felder des Mobilfunks, Humanbiomonitoring sowie Klima & Gesundheit.

Dr. Hutter sitzt im seinem Büro am Besprechungstisch mit einer Broschüre in der Hand
Interview mit Dr. Hans Peter Hutter – Ärztinnen für eine gesunde Umwelt

OA Assoz.-Prof. PD DI Dr. Hans-Peter Hutter ist Vorstand der Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt (österreichische Sektion der International Society of Doctors for the Environment) und in der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien in Forschung und Lehre tätig.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen seit Jahren auf den Themen Luftschadstoffe im Außen- (z.B. Feinstaub) und Innenraum (z.B. Chemikalien, Schimmelpilze),  elektromagnetische Felder des Mobilfunks, Humanbiomonitoring (Industriechemikalien, Duftstoffe) sowie Klima & Gesundheit.

Als engagierter Mediziner gibt er uns im heutigen Interview einen umweltmedizinischen Blick auf unseren Lifestyle und Alltag.

Prof. Hutter, seit der Gründung der Organisation Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt (ÄGU) 1989 sind nun fast 30 Jahre vergangen. Welche Umweltthemen sind seither bei Ihrer Arbeit wichtiger geworden, welche sind eher in den Hintergrund gerückt?

In den Hintergrund sind definitiv die Themen „Ozonloch“ und bodennahes Ozon geraten, welche in den 90er Jahren ganz brisant waren. In den Vordergrund gerückt ist ganz klar der Klimawandel, obwohl ich in den 80er-Jahren während meines Landschaftsökologie Studiums an der BOKU schon viel dazu gehört habe, und ich mich schon damals gefragt habe, warum niemand darüber redet. Daran sieht man, wie lange es dauert, bis sich manche Themen etablieren.

Die Handlungsfelder Straßenverkehr, Abfall sowie Wohnen und Gesundheit beschäftigen uns UmweltmedizinerInnen seit jeher, aber auch da haben sich die Schwerpunkte geändert. Oder besser, die Schadstoffe: Früher war im Bereich der Wohnen und Gesundheit Formaldehyd omnipräsent, heute sind verstärkt Weichmacher und Flammschutzmittel im Vordergrund.

Anfang der 90er Jahre waren Mobilfunk und Funkanwendungen weniger im Fokus. Das hat sich natürlich enorm verändert. Die Themen Kunststoff und PVC waren in den 90er Jahren aktuell, sind anschließend etwas eingeschlafen und vor ein paar Jahren wieder aufgewacht – v.a. in Bezug auf das  Mikroplastik und das globale Abfallproblem.

Hinsichtlich der Mobilität fühle ich mich wieder in die Vergangenheit zurückversetzt: Ende der 80er, Anfang der 90er, als man den Diesel speziell in Österreich zu fördern begann, wurde die gesundheitliche „Dieselseite“ von Politik massiv unterschätzt und entsprechenden Lobbyorganisationen verharmlost. Es gab damals schon Für und Wider, die Gesundheitsauswirkungen waren ebenfalls bekannt.

Interview mit Dr. Hans Peter Hutter – Ärztinnen für eine gesunde Umwelt

Interessieren sich Ärztinnen und Ärzte für das Thema? Wie schaut es mit „Nachwuchs“ aus?

Diesbezüglich hat sich nicht viel geändert. Unter den Medizin-Studierenden aber auch  den Ärztinnen und Ärzten waren und sind wir eher Exoten.

Das hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass beim klassischen Bild des Arztes/der Ärztin die Heilung einer Krankheit im Vordergrund steht. Bei uns liegt der Schwerpunkt auf der Vorsorge, um einen mittelbaren oder unmittelbaren Schaden abzuwenden, für Umweltbelange und natürlich für das gesamte öffentliche Gesundheitswesen. Mir wird in Vorlesungen beispielsweise die Frage gestellt, was der Klimawandel eigentlich mit dem ärztlichen Beruf zu tun hat. Bedenkt man die klimawandelfolgen etwa von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen mit hoher Sterblichkeit ganz viel, auch mit uns allen und unserem Verhalten. Im Kopf haben viele allerdings nicht das Bild vom Arzt/der Ärztin auf einem Fahrrad, sondern eher in einem Sportwagen oder SUV.

In zahlreichen Statements weisen Sie immer wieder darauf hin, dass Lüften das Wichtigste für eine gesunde Raumluft ist! Wodurch entsteht die schlechte Raumluft eigentlich? Welche negativen Auswirkungen hat schlechte Raumluft auf uns Menschen und was tun wir am besten dagegen?

Innenraumklimatologisch sind mehrere Faktoren zu beachten: Einerseits Ausgasungen aus den (Bau-)Materialien (Wände, Böden, Wandfarben etc.), den Einrichtungsgegenständen und andererseits jene, die im Innenraum verwendet werden – von Reinigungsmitteln bis hin zu Insektiziden. Wenn nicht gelüftet wird, dann konzentriert sich dieses unangenehme Chemikaliengemisch in meinem Wohnraum. Dazu kommen auch die raumklimatische Faktoren, etwa überheizte Räume im Winter mit sehr trockener Luft. Dadurch wirkt alles noch unangenehmer, denn die Schleimhäute „trockenen aus“, wodurch sie angreifbarer für Chemikalien sind. Die Idealtemperatur der Räume liegt zwischen 20 und 22 Grad – im Schlafraum etwas niedriger, bei 17 bis 19 Grad. Die Realität in Österreichs Wohnungen sieht allerdings anders aus.

Eine höhere Raumtemperatur bedeutet für mich mehr Heizkosten, für die Umwelt mehr CO2 und ich habe eine Raumluft, die mich anfälliger macht für Krankheiten. Verhalte ich mich dagegen ein bisschen vernünftiger, habe ich eine Win-win-Situation.

Vor der Haustür hat man wenig Einfluss auf die Luftqualität, aber in den eigenen vier Wänden kann ich aktiv zu besseren Bedingungen beitragen. In meiner Wohnung habe ich es zum Großteil in der Hand, was ich an Möbeln und Alltagsprodukten anschaffe, um ein gutes Raumklima zu fördern – dieses Bewusstsein sollte gestärkt werden! Heutzutage ist es nicht mehr schwierig vernünftige Produkte zu wählen, selbst bei geringen Geldmitteln. Aber man muss sich damit auseinandersetzen.

Die Beschwerdebilder bei schlechter Raumluft beginnen bei ganz Wahrnehmungs- und Geruchsproblemen: Von „es riecht abgestanden“, „ich fühle mich nicht gut, ich empfinde den Raum als unangenehm“ bis hin zu Befindlichkeitsstörungen wie Kopfschmerzen und Müdigkeit bis zu Reizerscheinungen und allergischen Symptomen ist es ein sehr diverses Bild. Die Kunst des Umweltmediziners besteht dann darin, herauszufinden, wo die Ursache liegt und zu einer Lösung zu kommen.

In unserem Alltag sind wir von einer Fülle nützlicher und weniger nützlicher Produkte und Gegenstände im Bereich der Reinigung, Spielzeug, Kosmetika & Co umgeben. Darunter finden sich auch zahlreiche mit teilweise sehr bedenklichen Inhaltsstoffen, die ihre „Düfte“, Weichmacher und sonstige Schadstoffe an uns weitergeben. Wie kann ich mich als Konsumentin, Konsument hier am besten schützen? Worauf können wir achten?

Es ist oft sehr einfach, sich mit alternativen Produkten eine deutlich bessere Raumluft und ein optimales Raumklima zu schaffen. Das ist für alle empfehlenswert, weil wir uns doch relativ lange in unseren Wohnräumen aufhalten. Dabei geht es uns UmweltmedizinerInnen nicht nur darum, dass die Menschen zuhause nicht krank werden. Wir möchten, dass die Wohnung gesundheitsförderlich ist. Es geht uns um den Erholungswert und das Wohlbefinden in der eigenen Wohnung.

Es gibt viele Produkte, die Chemikalien in die Raumluft abgeben. Auch Gelsenstecker mit Bioziden werden manchmal zu sorglos verwendet. Es ist nicht so, dass es problematisch ist, einmal den Stecker zu benutzen. Das passiert wirklich nur in Ausnahmefällen. Aber es geht darum, den Gelsenstecker vernünftig zu verwenden, also nicht über Stunden hinweg, sondern nur, wenn es tatsächlich notwendig ist und dann wieder ausschalten. Auch hier gilt das Minimierungsgebot für Chemikalien.

Interview mit Dr. Hans Peter Hutter – Ärztinnen für eine gesunde Umwelt

Sie haben eine eher ungewöhnliche Fächerkombination studiert – Medizin und Landschaftsplanung. Zwei Studienrichtungen, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten haben. Inwiefern profitieren Sie aus heutiger Sicht von Ihrem damaligen breiten Interesse?

Als Ökologe hat man eine sehr breite Perspektive, von der Geologie, der Bodenkundeüber Botanik und Zoologie bis hin zu limnologischen und agrarökonomischen Fächern. So lernt man die vielen Zusammenhänge zu erfassen. Mit den humanmedizinischen Kenntnissen schließt sich dann eine wesentliche Lücke. Der Blick auf das Ganze bzw. auf die vielen Zusammenhänge zwischen unserer Umwelt und unserer Gesundheit hat mich sehr interessiert.

Was jedoch ganz klar geworden ist: Die Argumentation, warum es Umweltschutz braucht, hat sich gewandelt. Ging es in den 80er- und 90er Jahren noch eher darum Auwälder, Tierarten und Biotope zu schützen, ist die Argumentation heute praktisch nur auf eines ausgerichtet: Wie problematisch ist das für die Gesundheit des Menschen?

Kurz nachgefragt

  • Morgenmensch oder Nachtschwärmer?
    Mal so mal so
  • Welches Buch lesen Sie gerade?
    Gebrauchsanweisung für Israel
  • Auf welches elektrische Gerät in Ihrem Haushalt können Sie auf keinen Fall verzichten?
    Laptop
  • Fortbewegungsmittel für die kurze Strecke zwischendurch?
    Fahrrad
  • Es ging im Interview auch um Düfte: Ihr liebster Geruch?
    Meeresluft
  • Welches Talent, Fähigkeit oder Fertigkeit hätten Sie gerne?
    Die Surfskills von Kelly Slater, die wissenschaftliche Genialität von Professor Michael Kundi, meinem Mentor, und die literarische Gabe eines Heinrich Steinfest
  • Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne ein Gespräch führen?
    Barack Obama
  • Was war der wichtigste Tipp, den Sie von jemandem bekommen haben?
    Authentisch bleiben, nicht alles zu ernst nehmen. Und mir meine einfache Sichtweise auf komplizierte Dinge bewahren.
  • Ihr liebstes Urlaubsziel?
    In Österreich sind das die Salzkammergut-Seen, im Ausland wellenreiche Regionen.
  • Die Spargelsaison startet bald in Österreich: Grüner oder weißer Spargel?
    Ich esse beides, aber ich reiß‘ mich nicht drum. Sonst esse ich sehr gerne Gemüse und Obst, habe aber keine Präferenzen außer eine: Erdäpfelsalat!