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Kein Weltuntergang für mich, bitte!

Beitrag von unserer Bloggerin Stefanie Reichl

Die Aussicht auf den Weltuntergang, gepaart mit einem erhobenen Zeigefinger – das ist das Bild, das viele Menschen von Umweltschutz haben.

Blühende Gänseblümchen brechen durch Asphaltdecke durch
Es gibt immer Hoffnung.

„Wir befinden uns im sechsten großen Artensterben“, „It Will Take 10 Million Years to Recover From This Man-Made Apocalypse“, „Die Erde ist bald Geschichte“,… So, oder so ähnlich klingen viele Schlagzeilen aus der Umweltberichterstattung.

Wie Damoklesschwerter scheinen sie über uns zu hängen und stetig daran zu erinnern, dass wir den Planeten langsam, ABER SICHER, in den Abgrund stürzen. Die ökologische Krise wird als kaum abwendbar verkauft und wenn überhaupt, dann nur mittels persönlicher Einschnitte: Man möge bitte nicht einmal daran denken, ein Flugzeug zu besteigen, um damit in den Urlaub zu fliegen. Ein Schnitzel ist tabu, egal wie gut es dir schmecken würde. Wehe dir, wenn du beim großen Schweden deine Socken kaufst! Und falls du jemals vorhattest, Kinder zu bekommen, lass es bitte bleiben, denn jeder Mensch weniger bedeutet auch weniger CO2, das in der Atmosphäre landet.

Die Aussicht auf den Weltuntergang, gepaart mit einem erhobenen Zeigefinger – das ist das Bild, das viele Menschen von Umweltschutz haben. Ob das Bild der Wirklichkeit entspricht, ist dabei gar nicht so wichtig: Es ist die Optik die zählt. Und diese ist – sorry, Leute – meiner Meinung nach oft leider weder großartig ansprechend noch motivierend.

Menschen, wie zum Beispiel der Autor David Wallace-Wells, der kürzlich sein Buch „The Unihabitable Earth“, also „Die unbewohnbare Erde“, herausgebracht hat, argumentieren, dass Menschen diese Art von Negativ-Publicity (und die davon ausgelösten Ängste) brauchen, um endlich in Sachen Umwelt- und Klimaschutz aktiv zu werden. Die aktuellen Klimaproteste rund um Greta Thunberg und ihre Fridays for Future scheinen ihm Recht zu geben. Dass Millionen von Menschen weltweit, geeint für eine Sache auf die Straße gehen, ist in der Tat ein beeindruckendes und wichtiges Zeichen dafür, dass es nicht wie bisher weitergehen soll und darf.

Dennoch frage ich mich, ob Horrorszenarien alleine ausreichen, um tatsächlich positive Veränderungen herbeizuführen. Vergessen wir mal nicht, dass es nicht nur ein paar Millionen Menschen zu motivieren gilt, sondern ein paar Milliarden, wenn wir den Planeten auf Dauer als lebensfreundlichen Ort erhalten möchten. Von diesen haben viele Interessen, die gegen ein umweltschonendes und soziales Verhalten sprechen.

In hedonistischen Zeiten wie unseren, die auf einer Wirtschaftsordnung basieren, die von konstantem Wachstum und Konsum getrieben ist, sind weder Verzicht noch Märtyrertum für sehr viele Menschen anziehend. Und von jenen, die in einem westlichen Industrieland konsequent versuchen, ihr Leben innerhalb der ökologischen Grenzen zu führen, stoßen viele mit der Zeit an ihre Grenzen, weil sie das Gefühl haben, allein gegen Windmühlen anzukämpfen.
Hinzu kommt, dass es ziemlich anstrengend sein kann, auf Dauer GEGEN anstatt FÜR etwas einzutreten. Ganz abgesehen davon, dass beim Dagegen sein noch gar nicht klar sein muss, WOFÜR man denn nun eigentlich eintritt.

Wie könnte man es also anders machen?

Vor wenigen Wochen war ich bei einem Vortrag von Rob Hopkins, dem Begründer des Transition Movement. Obwohl es viel um den Klimawandel ging und allgemeine Einigkeit im Raum herrschte, dass es massive Probleme möglichst rasch zu lösen gilt, verließ ich diesen voll Freude und sogar inspiriert. Wie das und was war anders als sonst? Innerhalb von läppischen eineinhalb Stunden hatte mir Rob ein leuchtendes und optimistisches Bild davon gemalt, wie die Welt aussehen könnte, wenn sich Menschen zusammenfinden und gemeinsam Projekte verwirklichen, um den Planeten ein Stück weit schöner zu machen. Anstatt sich vor dem nahenden Weltuntergang zu fürchten.

Da ging es nicht darum, dass 2050 die Welt, wie wir sie kennen, zu Ende sein wird, sondern es wurde darüber gesprochen, wie großartig es nicht wäre, wenn Straßen nicht nur für Autos, sondern für uns alle da wären. Es ging um London, jene Stadt, die in diesem Sommer zur ersten National Park City der Welt werden wird. Oder das Urban Farming Projekt Urban Tilth, das seit 2005 daran arbeitet der Bevölkerung in Richmond, Kalifornien besseren Zugang zu frischen Lebensmitteln zur ermöglichen.
Mit anderen Worten: Es ging um ganz konkrete Vorstellungen, wie eine nachhaltige Welt aussehen könnte, in der Menschen vielleicht ärmer an (oftmals unnötigen) Konsumgütern, dafür aber reicher an anderen Dingen sind. Und um Initiativen, in denen bereits auf Hochtouren an diesen Visionen gearbeitet wird. Projekte, von denen man sich inspirieren lassen kann. Die einen dazu motivieren können, etwas Ähnliches zu starten. Oder an die man (auch Politik und Wirtschaft) sich auch einfach „dran hängen“ kann, wenn man nicht den Mut oder die Energie hat, etwas Eigenständiges aufzubauen.

Das Rad muss nicht erst neu erfunden werden, sondern rund um den Globus wird bereits mit neuen Rad-Formen experimentiert. Auch hierzulande, wie zahlreiche Gemeinschaftsgärten, Mobilitäts-Start-Ups, Umweltorganisationen und SchülerInnen auf den Straßen beweisen.

Das ist ermutigend! Das gibt mir sogar die Motivation, meine Ernährung umzustellen, auf meinen Langstreckenflug zu verzichten oder meine Kleidung zu leihen anstatt sie zu kaufen. Und davon möchte ich gerne viel mehr hören und lesen!

Wie Rob so schön sagte: „Vorstellungskraft ist die Fähigkeit, die Dinge so zu sehen, als ob sie anders sein könnten“. Diese Kraft wohnt – zumindest glaube ich das – grundsätzlich uns allen inne, nur manchmal braucht sie etwas Treibstoff von außen, um in Fahrt zu kommen.
Zum Glück ist dieser nicht von Erdöl abhängig.