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Interview mit Dr. Michael Stadler

Beitrag von unserer Bloggerin Luise Steininger

Im Interview erzählt er u.a. warum Forschung und Innovation für eine nachhaltige Entwicklung so notwendig sind.

Interview mit Dr. Michael Stadler
Interview mit Dr. Michael Stadler

Dr. Michael Stadler leitet die Forschungsgruppe Netzintegration am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien. Im Interview erzählt er u.a. warum Forschung und Innovation für eine nachhaltige Entwicklung so notwendig sind.

Du wurdest von US-Präsident Obama mit dem „2013 Presidential Early Career Awards for Scientists and Engineers“ für Deine Forschungsarbeiten an sogenannten Mircogrids ausgezeichnet. Könntest Du bitte für unsere LeserInnen, die in Energietechnik nicht so bewandert sind, diese Microgrids erklären?

Microgrids zeichnen sich durch Steuerungssysteme aus, die das Zusammenspiel zwischen Energieverbrauch und Energieerzeugung – zwischen räumlich verbundenen Lasten und Erzeugereinheiten – regeln. Es geht also darum viele kleine in z.B. Gebäuden installierte Anlagen (Photovoltaik, elektrische und Warmwasserspeicher, Solarthermie, …) zu vereinen und zu steuern; d.h. die Lasten und Erzeugung zu kontrollieren um auf Schwankungen direkt reagieren zu können.

Es entsteht hier ein Geschäftsverhältnis mit dem Energieversorger – einmal kauft man Energie und ein anderes Mal liefert man Energie oder man entkoppelt sich komplett, z.B. bei Stromausfall.

Was hat Dich gerade zu diesem Forschungsthema gebracht? Welche Beweggründe hattest bzw. hast Du dafür?

Das hat sich einfach ergeben – rein zufällig. Ich war 2002 Dissertant an der TU Wien, als ich einen Forschungsaufenthalt für 9 Monate in Berkeley bekommen habe. Die haben zu dem Zeitpunkt gerade mit den Microgrids angefangen (ein schon 15 Jahre altes Thema in Kalifornien) und das Thema hat mein Interesse geweckt. 2003 habe ich mein Doktorat in Wien beendet und noch 2 Jahre in Wien gearbeitet. 2005 bekam ich ein Angebot vom Berkeley Lab (Lawrence Berkeley National Laboratory) und da mir Kalifornien gefallen hatte und ich wieder retour wollte, habe ich dieses angenommen.

Du betonst in Interviews immer wieder, dass dieser Preis nicht Dir alleine, sondern Deinem ganzen Team gebührt. Was bedeutet es trotzdem für Dich persönlich von US-Präsident Obama ausgezeichnet worden zu sein?

Es untermauert, dass ich das Richtige mache. Es ist eine Anerkennung für das was du machst und es zeigt was es bedeutet. In der Wissenschaft schreibt man oft viele Publikationen, aber wenn diese nur ein paar lesen veränderst du nur langsam ein bisschen etwas. Diese Auszeichnung beschleunigt das extrem. Zum Beispiel hat sich finanziell für die Forschungsgruppe viel geändert: die Forschungsprojekte kommen jetzt automatisch und ich brauche mich um 100 Seiten lange Forschungsanträge nur mehr kaum kümmern. Der Nachteil ist, dass ich seit der Auszeichnung kaum mehr Zeit für die Forschung habe.

In den USA war das Feedback groß, denn dort steht die ganze Nation hinter dieser Auszeichnung durch den Präsidenten. Er ist ihr Repräsentant – auch wenn sie vielleicht nicht seiner Meinung sind. D.h. es ist als wenn man von einer ganzen Nation ausgezeichnet worden wäre.

Die Auszeichnung für solch ein Forschungsprojekt ist auch ein Statement für erneuerbare Energien und für Nachhaltigkeit. Bei der UN-Klimakonferenz in Paris letztes Jahr wurde unter anderem beschlossen, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C zu beschränken. Im April des heurigen Jahres unterzeichneten 175 Staaten dieses Abkommen und erste Staaten haben die Ratifizierung bereits umgesetzt. Siehst Du dieses 1,5-2 °C Ziel persönlich als realistisch? Wird bereits genug getan, um dieses Ziel zu erreichen?

Getan wird zu wenig – das ist fix. Wir haben schon die Ziele des Kyoto-Protokolls (den Vorgänger von Paris) verfehlt – auch in Österreich und Niederösterreich. Die CO2-Emissionen sinken zwar in Niederösterreich in den letzten zehn Jahren, aber davor sind sie so stark gestiegen, dass wir noch immer über dem Niveau von 1990 sind.

Wenn man die Ziele von Paris ernst nimmt, dann dürfen wir ab Mitte dieses Jahrhundert kein CO2 mehr emittieren – mit den jetzigen Technologien und Verhältnissen absolut nicht machbar. Das ist auch der Grund warum in den Pariser Verträgen so viel Wert auf Forschung und Innovation gelegt wurde. Der Stromsektor ist mit erneuerbaren Energien halbwegs unter Kontrolle, aber der Verkehrssektor, die Mobilität ist ein riesiges Problem, das nur mit neuen Technologien in Griff zu bekommen ist. In Kalifornien fängt der Umstieg auf e-Autos schön langsam an, aber es wird noch absolut zu wenig gemacht.

Wo müsste man Deiner Meinung nach den Hebel ansetzen, um möglichst schnell möglichst viel zu erreichen?

Es gibt 2 Alternativen: Wir gehen alle 50 Jahre zurück und verbrauchen weniger Energie indem wir den Lebensstandard senken. Dann hat das allerdings Auswirkungen auf die Wirtschaft. Weil wenn ich heute Geld verdiene, aber damit nicht in Urlaub fliegen kann oder sonst nicht irgendwie verbrauchen kann, hat das Geld eigentlich keinen Wert mehr. D.h. ich brauche neue Technologien um den Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Es gibt nur einen Weg nach vorne: das sind neue Technologien – es geht nicht anders.

Bei den Recherchen zum Interview konnte ich nachlesen, dass das Berkeley Lab (dein Arbeitgeber) grob gerundet das 3-fache Jahresbudget der TU-Wien zur Verfügung hat und das bei weniger MitarbeiterInnen. Was braucht es Deiner Meinung nach neben finanziell gut ausgestattete Universitäten noch, um junge Menschen für die Forschung zu faszinieren und zu motivieren?

Finanzielle Mittel – es gibt nichts anderes. In Europa bzw. Österreich existiert ein gutes Bildungssystem. Ein Grund warum viele Europäer nach Amerika gehen ist weil sie hier eine (fast) kostenlose, sehr gute Ausbildung bekommen, aber dann besteht kein innovatives oder finanzielles Umfeld um dieses Wissen zu fördern. Wenn ich heute in der Forschung tätig bin und (im internationalen Vergleich) unterdurchschnittlich verdiene und dabei vielleicht auch noch in einem System festhänge, dann werde ich nicht progressiv arbeiten. Speziell Kalifornien ist aufgrund der finanziellen Mittel sehr progressiv. Eine Idee oder ein Patent reichen nicht aus – du brauchst finanzielle Mittel für die Markteinführung. Du brauchst Geldgeber und Start-Up Firmen – diese Kultur existiert in Österreich und in Europa kaum. In Kalifornien macht praktisch jeder/jede ein Start-Up auf. Natürlich ist die Ausfallquote relativ hoch, aber wenn auch 80 % ausfallen bleiben trotzdem 20 % übrig, die neue Ideen in den Markt führen. Leute die etwas bewegen mögen, messen das natürlich nicht nur am finanziellen Einkommen, aber man umgibt sich gerne mit einem progressiven Umfeld. Und in den USA sind die Leute einfach gut bezahlt – da sind Universen zwischen den USA und Österreich. Jeder der einmal in den USA war und den Unterschied sieht, realisiert, dass es in Wirklichkeit sehr wohl um die Finanzen geht.

Interview mit Dr. Michael Stadler

Interview mit Dr. Michael Stadler

Man braucht auch eine kritische Masse. Mit 800 Millionen Budget, wie es bei uns ist, kann ich etwas bewegen. Wenn ich in Österreich in jedem Bundesland eine Uni habe und jede macht ein bisschen etwas (oft unkoordiniert), dann ist es in Wirklichkeit Geldvernichtung, weil die Ideen einfach irgendwo in den Schubladen verkommen. Außerdem werden die wirklich guten Leute frustriert, weil bei ihrer Arbeit nichts rauskommt.

In Deinem Fachgebiet – der Elektrotechnik – wird es in den nächsten Jahren sicherlich noch einiges an Entwicklung geben. Welche Innovationen werden uns, die Bevölkerung, am meisten erstaunen?

Das ist schwierig zu sagen, weil man das schwer prognostizieren kann. Als ich noch studiert habe hat es noch fast kein Internet gegeben und jetzt – 15 Jahre später – können wir nicht mehr ohne Smartphone sein. Was sich am Horizont abzeichnet ist der Durchbruch der e-Autos. Alle großen Produzenten springen schon auf diesen Zug auf. Wenn man in Kalifornien auf der Straße ist hat man das subjektive Gefühl, dass jedes zehnte Auto ein Tesla ist. Wenn man sich eine herkömmliche Oberklasse kauft ist man out, weil es kein cooles Auto ist – ein cooles Auto ist ein e-Auto. In den USA herrscht hier schon eine ganz andere Einstellung wie in Österreich vor: energiesparsam, CO2 neutral, e-Autos …. das ist cool. Aber das ist nur möglich, weil das Einkommen in Kalifornien hoch ist und ein Tesla um 80.000 € dort, im Gegensatz zu Österreich, leistbarer ist.

Auch die selbstfahrenden Autos werden in fünf bis zehn Jahren absolut normal sein. Und die privaten elektrischen Speicher sind in den USA auch schon im Kommen. Denn wenn du eine Photovoltaik-Anlage am Dach hast und du musst den Strom in das Netz einspeisen, bekommst du fast kein Geld dafür. Das hat sich in Kalifornien mit der Tesla Power Wall erledigt und ich schätze, dass es in 5 Jahren auch bei uns gang und gäbe ist, dass wenig in das Netzt eingespeist wird. Dann werden auch die Systeme zur Steuerung der lokalen Lasten und des Verbrauchs kommen. Es gibt in den USA bereits Tendenzen, dass man Energieversorger nicht mehr braucht, sondern diese zu reinen Netzbetreibern werden. Unsere Vision ist, dass wir im Jahr 2030 das Strom-Netz der Zukunft im Wesentlichen ohne zentralen Energieversorger betreiben. Es werden Millionen an dezentralen Erzeugungseinheiten und Lasten (z.B. Photovoltaik) koordiniert und damit das Netz stabilisiert. D.h. das zentrale System wird in ein komplett dezentrales Energieversorgungssystem umgewandelt.

Abgesehen von der finanziellen Grundlage, was braucht es noch um nachhaltige, kreative und innovative Ideen zur Marktreife zu bringen?

Eine treibende Kraft brauchst du! Du brauchst die finanziellen Mittel und Personen, die bereit sind das vom Anfang bis zum Ende durchzuexerzieren. Eine gute Idee und ein Prototyp reichen nicht aus … es ist sehr viel Arbeit bis du in den Markt hinein kommst. Wir waren z.B. mit unserem Modell im Jahr 2000 einfach zu früh. Jetzt schön langsam realisieren die Menschen den Nutzen und diese Zeit musst du durchtauchen und durchsitzen. Außerdem musst du auch die Kundenbetreuung zu deinem Produkt abwickeln. Die Menschen entscheiden sich, dass sie etwas Neues ausprobieren, aber du musst sie dabei betreuen. Auch wenn es ein Demonstrations- oder Forschungsprojekt ist. Du musst über Jahre die richtigen Kontakte aufbauen – dazu brauchst du Energie, Ausdauer und natürlich Geld. Wir wenden sicherlich mehr Geld für die Vermarktung des Produkts auf als wir ursprünglich für die Forschung aufgewendet haben.

Mit Deinen Forschungsarbeiten hilfst du eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Wo versuchst Du privat nachhaltig zu leben?

Die Nachhaltigkeit – das klingt jetzt komisch – aber sie ist zweitrangig. Wenn ich es schaffe Forschungsprojekte für neue umweltfreundliche Produkte zu machen, dann habe ich neue Wirtschaftszweige, die die Wirtschaft beleben. Dadurch ist die Gesellschaft besser aufgestellt und kann mit diesen neuen Produkten auch die Umwelt beeinflussen.

In Wirklichkeit musst du eine gesamte innovative Industrieschiene aufbauen, bei der es in erster Linie um Geld geht – es ist halt eine erneuerbare Schiene. Wenn das dann läuft, dann kann ich auch nachhaltig agieren. So steht es auch in den Pariser Verträgen, wo als erstes neue Technologien gefordert werden, gefolgt von Energiesicherheit, Unterstützung von Schwellenländern und dann erst die CO2 Reduktion. Weil, wenn ich es schaffe neue Technologien zur Verfügung zu stellen, sodass die Leute mit ihrem Geld etwas Innovatives machen können (e-Auto kaufen, …) und wenn ich die Schwellenländer (im Sinne von Energieverbrauch) unter Kontrolle haben, dann habe ich auch den Umweltschutz unter Kontrolle – aber nicht umgekehrt.

Was ich privat dazu beitrage … ja … realistisch gesehen ist es so, dass umso mehr man in diesem Bereich arbeitet und versucht Leute zu beeinflussen, desto mehr reist man. D.h. mein CO2 Fußabdruck ist durch das Fliegen eine Katastrophe – da brauchen wir gar nicht darüber reden. Das zeigt aber auch, dass man langfristig auch die Technologie Flugzeug in den Griff bekommen muss, weil die Leute nicht aufhören werden zu fliegen. Das bedeutet ich muss Technologien entwickeln (wahrscheinlich in 20-30 Jahren), die auch das Fliegen umweltverträglich machen.

Was möchtest Du unseren LeserInnen noch mitgeben? Auf was kann und sollte man achten, wenn man den eigenen Lebensstil nachhaltiger gestalten möchte.

Im Haushaltsbereich kann man relativ einfach etwas machen. Ich wehre mich z.B. extrem gegen den Wäschetrockner – eine extrem sinnlose Sache. Ich meine, wenn du eine Familie und fünf Kinder hast bist du vielleicht zufrieden mit einem Wäschetrockner, aber grundsätzlich ist ein Wäschetrockner ein Energieverschwender – vor allem bei unserem Klima. Die Leute sind auch sehr energieverschwenderisch wenn sie nie etwas ausschalten wie z.B. Handys. Das macht individuell nicht viel Unterschied – aber bei einer Bevölkerung von 8 Millionen Leuten in Österreich oder bei einer Weltbevölkerung von 7 Milliarden die das machen, macht das einen haushohen Unterschied. Ich habe einen Zentralschalter, wo ich dann immer alles ausschalte, denn ein Computer oder ein Fernseher brauchen über Nacht nicht eingeschalten sein. Das ist auch der Grund warum die Handyladegeräte normiert wurden, denn bis vor 10 oder 15 Jahren hat jeder Handyerzeuger eigene Ladegeräte gehabt und die waren relativ ineffizient.

Problematisch ist zurzeit einfach der Transportsektor, denn alle fahren mit dem Auto oder fliegen in Urlaub. Da kann ich natürlich CO2-Zertifikate kaufen, aber wer leistet sich das dann wirklich?

Kurz nachgefragt:

  • Wie kannst Du in deiner Freizeit am besten entspannen?
    Ich lese ein Buch – ein altes Papierbuch, das nichts mit Technik zu tun hat am Pool oder am Strand.
  • Was war Dein bisher lustigster oder seltsamster Job?
    Da war bisher noch nichts dabei. Auch meine Ferialjobs haben zu dem Zeitpunkt immer gepasst – vom Hilfsarbeiterjob bis zum Mechaniker.
  • Wurstsemmerl oder Burger?
    Wurstsemmel – ich glaube ich habe in meinem ganzen Leben in Amerika noch keinen Burger gegessen. Ich gehe nur in Österreich Fast Food essen (ca. 2 mal im Jahr). Die Qualität von Burger in den USA ist wirklich schlecht.
  • Wo zeigt sich der Unterschied zwischen der amerikanischen und der österreichischen Lebensweise für Dich am deutlichsten?
    Das sind sehr viele Punkte. Aber man muss aufpassen, weil ich rede hauptsächlich über Kalifornien – die USA ist wie die EU – da kannst du ganz unterschiedliche Situationen haben. Ich würde sagen, dass die Kalifornier freundliche Leute sind … offen, zuvorkommend und positiv. Probleme werden dort als Chancen wahrgenommen. Der Nachteil ist, dass kaum Wert auf die Vergangenheit gelegt wird – man erfindet dann unter Umständen das Rad drei bis vier Mal. Die Kalifornier haben ein Kurzzeitgedächtnis – sie vergessen die Probleme einfach. In Österreich vergisst man nicht leicht. Das hat aber auch den Vorteil, dass man Sachen, die einem in der Zukunft helfen können, nicht vergisst.
  • Was gehört für Dich zu einem gelungenen Urlaub und wo findet der statt?
    Sonnenschein und schönes Wetter
  • Wenn Du Dich nicht für die Forschung entschieden hättest – welchen Beruf findest Du zudem reizvoll und vorstellbar?
    Politik. Wenn man es ganzheitlich betrachtet ist die eigentlich wichtiger als die Forschung … darum sind auch die finanziellen Mittel wichtig! Du kannst die besten Leute haben mit den besten Ideen – wenn dich niemanden unterstützt – politisch / finanziell – ist es vorbei.
    Als Politiker hingegen kannst du eine ganze Nation leiten.
  • Welche Telefonnummer in Deinem Verzeichnis ist die wichtigste?
    Telefonnummern sind nicht sehr wichtig für mich– ich rufe kaum Leute an und ich weiß auch nicht viele Telefonnummern auswendig. Verwende meistens E-Mail.
  • Welches Buch liest Du gerade?
    „The american way of strategy“ von Michael Lind. Ein Buch über die Außenpolitik der Amerikaner.
  • Wo und was frühstückst Du?
    im Büro – Starbucks Kaffee und ein Croissant oder einen Bagel mit Cream Cheese
  • Deine LieblingssängerIn oder Lieblingsband?
    Journey (eine US-amerikanische Rockband)

Vielen Dank für das Interview!