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Partnerinnen & Partner

Fragen an DIin Hemma Bieser, Gründerin von avantsmart

Beitrag von unserer Bloggerin Daniela Capano

Ihr Fokus liegt darauf, ihre Kundinnen und Kunden so zu beraten, dass sie neue Technologien in den Markt bringen und zukünftige, nachhaltige Geschäftsfelder aufbauen können.

Hemma Bieser im Gespräch mit Daniela Capano am Tisch sitzend mit Kaffee und Wasser.
DIin Hemma Bieser, Gründerin von avantsmart im Gespräch.

Hemma Bieser gründete 2011 das Beratungsunternehmen avantsmart, mit welchem sie Unternehmen und Start-ups unterstützt, zukunftsfähige Geschäftsmodelle und Strategien zu entwickeln. Ihr Fokus liegt darauf, ihre Kundinnen und Kunden so zu beraten, dass sie neue Technologien in den Markt bringen und zukünftige, nachhaltige Geschäftsfelder aufbauen können.

Mit dem Innovationsmodell Design Thinking half sie auch unserem Team, die Initiative wir-leben-nachhaltig auf guten Boden zu bringen. Grund genug, sechs Jahre später nochmal bei ihr nachzufragen, wie es den heutigen innovativen Start-ups gelingt, neue nachhaltige Wege zu gehen.

Frau DI Bieser, als Beraterin, Moderatorin und Vortragende helfen Sie UnternehmerInnen, InnovationsmanagerInnen und Produktverantwortlichen u.v.m., neue Ideen zu entwickeln und weiterzubringen. Wo hakt es in den Unternehmen, wenn Sie gerufen werden?

Wenn wir die Wirtschaft betrachten, sehen wir, dass gerade sehr große Veränderungen passieren, die verschiedene Ursachen haben. Ein großer Treiber für Veränderung sind neue, digitale Technologien. Die Digitalisierung ist in unterschiedlichen Branchen unterschiedlich stark fortgeschritten. Die Musikbranche z.B. betrifft das schon seit mehr als 20 Jahren – früher gab es Musikkassetten, Schallplatten, CDs – unsere Kinder jedoch wachsen mit Spotify auf. Solche Veränderungen gehen jetzt auch in anderen Branchen, der Industrie, der Energiebranche, vor. Es gibt Digitalisierungsoffensiven seitens der Regierung, der Wirtschaftskammer etc. und viele Unternehmen sind schon mitten drin in der digitalen Transformation. Der erste Schritt ist, dass man Prozesse digitalisiert, der zweite, dass man einen Webshop oder Social Media nutzt.

Ich gehe mit meiner Beratung noch einen Schritt weiter – wie wir es auch bei Ihnen mit wir-leben-nachhaltig gemacht haben. Ich frage meine Kunden: Welche Chancen ergeben sich aufgrund der Digitalisierung? Welche neuen Services können entstehen? Was sind die Geschäftsfelder der Zukunft, mit denen man Geld verdienen kann? Das ist besonders im traditionsreichen Österreich spannend, denn es herrscht die Meinung vor, dass, wenn man in einer Branche mit einem Produkt erfolgreich ist, es auch noch lang andauern wird. Aber in immer schnelleren Zyklen kommen Innovationen auf uns zu und es gibt verstärkt internationale Treiber z.B. aus dem Silicon Valley. Der Druck, innovativ zu sein, wird immer höher. Ich mache mir mit den Unternehmen Gedanken darüber, was morgen ihr Kerngeschäft sein kann. Als Beispiel: Amazon hat 1993 damit begonnen, Bücher online zu verkaufen. Mittlerweile ist es ein Gemischtwarenladen, bei dem man alles online kaufen kann, aber das große Geschäft macht Amazon mit Cloud-Services und nicht am Marktplatz. Das Geschäftsmodell hat sich in den letzten 25 Jahren grundlegend geändert.

Sie gelten als Expertin für Methoden und Tools im Management und nutzen dafür Werkzeuge wie z.B. Design Thinking, die Business Model Canvas oder Lean Start-up Strategien. Wie helfen Ihre Methoden, festgefahrene Prozesse zu lösen und wieder kreativ zu werden?

Viele Unternehmen sind in der Produktentwicklung und in der Forschung sehr technologielastig – so sind die MitarbeiterInnen ausgebildet und geschult. Österreich und Deutschland haben extrem gute Ingenieure. Diese neuen Methoden – sei es Design Thinking, Business Model Canvas, Lean Startup-Methoden – stellen nicht die Technologie, sondern immer die Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt. Erst wenn klar ist, was das Problem und das Bedürfnis des Kunden ist, kann ich anfangen, an einer Lösung zu bauen. Dieser Denkansatz ist schwierig, weil in den Köpfen etwas anderes drin ist. Ich bin selbst Physikerin, daher ist mir diese Technologieverliebtheit durchaus vertraut.

In den Workshops mit den Kunden passiert das Out-of-the-box-Denken. Wir haben immer eine bunte Vielfalt an TeilnehmerInnen – nicht nur TechnikerInnen oder Marketing-ExpertInnen – und die arbeiten dann gemeinsam und befruchten sich gegenseitig. Ein wichtiger Aspekt ist, aus meinem Kastl herauszukommen und andere Perspektiven einzunehmen. Menschen, die sich auf diesen Prozess eingelassen haben, gehen mit einem ganz anderen Mindset an neue Aufgaben heran. Also wirklich vom technologie- oder organisationszentrierten Denken hin zum kundenzentrierten Denken.

Ihr Beratungsunternehmen sieht Energietechnologien, e-Mobilität und Klimaschutz als neue Märkte. Wo entstehen in diesen Branchen gerade neue Produkte und Dienstleistungen?

Die Branche der erneuerbaren Energie ist eine irrsinnige Wachstumsbranche, v.a. kombiniert mit den digitalen Technologien. Es gibt Zahlen aus Kalifornien, das die Green-Energy-Branche mittlerweile viel größer ist als die traditionelle Energiebranche. Das gleiche gilt auch in Europa. Die Europäische Kommission steckt viel Geld in die Forschung, um erneuerbare Technologien zu fördern. Wir haben in den letzten Jahren schon viele technologische Entwicklungen gemacht. Photovoltaik, Solarthermie etc.- die Technologien sind da. Jetzt wird es spannend, wie wir das gesamte Energiesystem umbauen. Da kommen Technologien wie künstliche Intelligenz, Blockchain oder neue Funkstandards wie 5G ins Spiel. Die traditionelle Energiebranche wird grundlegend verändert und wir haben Player aus anderen Branchen wie der Informations- oder Kommunikationstechnologie und Start-ups, die in diesen Bereich hineinkommen. Das ist auf jeden Fall ein Wachstumsmarkt.

Relativ neu ist die Idee der Local Energy Communities oder Citizen Energy Communities. Da geht’s darum, dass sich Bürgerinnen und Bürger selbst in der Erzeugung und im Verbrauch und der Verteilung von Strom organisieren. Die Idee dahinter liegt darin, dass ich den Strom, den ich mit erneuerbaren Ressourcen erzeuge, möglichst in meiner Region oder im Quartier verbrauchen kann. Das ändert natürlich viel für die Übertragungs- und Verteilnetze. Da gibt es unterschiedliche neue Fragestellungen: Wie kann ich damit Geld verdienen? Wer kann der Betreiber sein? Wie löse ich das technisch? Wie mache ich den Energiehandel zwischen den unterschiedlichen Akteuren möglich?

Ich bin stolz darauf, Mitgründerin von OurPower.coop zu sein. Das ist eine Energiegenossenschaft – die erste österreichische Energiegenossenschaft nach europäischem Recht – die es möglich macht, über eine Plattform Strom selbst zu handeln. Das heißt, wenn Sie eine PV-Anlage am Dach haben, können Sie den Strom an ihren Nachbarn verkaufen. Und der Nachbar kann auf die Website gehen und sagen, er möchte genau ihren Strom haben. Das macht den Stromhandel und Strombezug viel transparenter und schafft einen neuen Markt. Es ist im Prinzip wie Ab Hof Verkauf beim Bauern. Sie wissen genau, wo ihr Strom herkommt und wie er produziert wurde.

Neben mittelständischen Unternehmen und großen Konzernen unterstützen Sie auch Start-ups, aus ihren Ideen Geschäftsmodelle für innovative Produkte und Services zu entwickeln und stellen ihnen ihr Netzwerk in Forschung, Entwicklung, Vertrieb sowie Finanzierung zur Verfügung.  Ein gutes Netzwerk zu haben ist sicher wichtig, wenn ich meine Idee in die Tat umsetzen möchte. Welche weiteren Punkte sind noch entscheidend?

Das Wichtigste ist, das Gründen eines Start-ups als Teamsport zu sehen. Viele kommen allein zu mir und sagen: „Ich habe eine großartige Idee und habe schon 12 Monate daran programmiert. Jetzt brauch ich eh nur noch Kunden.“ Um erfolgreich zu sein braucht es ein Team. Es braucht jemanden, der sich mit der Technologie, mit Marketing, mit dem Vertrieb, mit Zahlen, mit Strategien etc. auskennt. Welches Team steht hinter der Idee ist auch immer die erste Frage von Investoren an Start-ups.

Der zweite große Ratschlag von mir ist: Geht hinaus zum Kunden. Wir sind von unserem technischen Mindset so geprägt, dass wir vorher eine perfekte App programmieren, ein perfektes Programm machen und es dann erst dem Kunden zeigen. Daran arbeitet man ein Jahr und kommt drauf, dass das Produkt niemand kauft. Dabei ist das Testen in einer sehr frühen Phase extrem wichtig. Es reicht oft ein selbstgebasteltes Modell. Meine Studentinnen und Studenten haben ein entzückendes Modell von einem Haus gebaut, das konnte man aufklappen und im Haus war eine kleine Box – der Gemeinschaftsspeicher für Strom. Hätte ich die Kunden nur gefragt „Hätten Sie Interesse an einem Gemeinschaftsspeicher?“, dann hätten die meisten gefragt: „Was bitte ist ein Gemeinschaftsspeicher?“Wenn ich aber ein Modell habe, dann kann ich das dem potentiellen Kunden vorstellen, kann mir Feedback holen, vielleicht noch weitere Ideen einsammeln und so in diesem Co-Creation-Prozess meine Geschäftsidee weiter entwickeln.

Außerdem muss ein Start-up eine klare Vision haben. Es soll klar sein: Warum tu ich das? Wo will ich eigentlich hin? Wie schaut mein Bild von der Zukunft aus? Welche Vision habe ich? Wenn das allen klar ist, dann brauch ich auch keine strikte Projektplanung, denn jeder kennt den Rahmen, den diese Vision vorgibt, und kann sich darin bewegen. Eine klare Vision ist sehr wichtig. Für einen selbst, das Team, und für die Außenwelt und die Kunden.

In den letzten Jahren hat sich viel getan. Es sind Start-up-Zentren an Universitäten, FHs etc. entstanden, wo man den Studierenden das Thema Unternehmertum beibringt.

In Amerika ist das schon lange normal. Dort hat jeder Absolvent in seiner Studienzeit 1 – 2 Start-ups gegründet – und ist auch gescheitert. Aber jeder Arbeitsgeber dort stellt sie deshalb noch lieber ein, denn er weiß, sie haben Fehler gemacht und daraus gelernt. Und diese Fehler macht man nicht zweimal.

Das wäre auch ein Tipp an Mädchen oder junge Frauen. Wir haben heute, mit den digitalen Möglichkeiten, die Chance schnell und mit wenig Geld eine Geschäftsidee zu realisieren. Dazu gibt es Förderungen und kostenlose Coachings. Ergreift diese Angebote!

Kurz nachgefragt:

  • Zum Entspannen: Musik oder Buch? 
    Musik- am liebsten Opern
  • Ihr Lieblingsfach in der Schule? 
    Geschichte – weil man aus der Geschichte unendlich viel lernen kann
  • Was findet sich immer in Ihrem Kühlschrank? 
    Parmesan
  • Welche Persönlichkeit hat Sie in Ihrem beruflichen Lebensweg besonders geprägt bzw. beeinflusst? 
    Keine Person an sich, aber Menschen, die Bestehendes in Frage stellen. Mich inspiriert immer der Diskurs mit Menschen, die es einfach anders gemacht haben als der Mainstream.
  • Welcher Versuchung können Sie nicht widerstehen? 
    Einem auf den Punkt gekochtes Bio-Frühstücksei
  • Morgenmensch oder Nachtschwärmerin? 
    Morgenmensch
  • Wenn Sie an Superkräfte denken: Welche besondere Fähigkeit oder Fertigkeit hätten Sie gerne? 
    Beamen – als Kind hab ich immer Raumschiff Enterprise geschaut und das wollte ich immer können.
  • Ein Buch, das Sie besonders fasziniert und bewegt hat?
    Schwarzbuch Klimawandel von Helga Kromp-Kolb: Der Klimawandel mit dem damaligen Kyoto-Protokoll waren für mich mit beeinflussend, dass ich mich beruflich in diese Richtung entwickelt habe.
    Business Model Generation von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur: Durch das Buch habe ich einen Blick auf die Fragestellung bekommen, wie es uns gelingt, Neues auf den Markt zu bringen.
  • Ihr Lebensmotto? 
    Ich bin die Veränderung
  • Die ersten Freibäder sperren bald auf: Freibad oder Badesee? 
    Wörthersee. Ich bin Klagenfurterin und habe dort jeden Sommer verbracht.