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Kreislaufwirtschaft

Nachgefragt: gabarage

Beitrag von unserer Bloggerin Petra Nemec

gabarage re-designt aus unterschiedlichen Materialien und Gegenständen neue Designprodukte und verlängert so deren Lebenszyklus. Alle(s) braucht eine 2. Chance ist das Motto des gemeinnützigen social business, dass sich seit der Gründung vor mehr als 23 Jahren dem Bereich des Upcycling Designs verschrieben hat.

Verschiedene Upcycling Produkte von gabarage
Nicht mehr benötige Materialien werden zu Designerstücken aufgewertet.

Wir haben bei der Gründerin und Vorsitzenden des Vorstands Gabriele Gottwald-Nathaniel nachgefragt:

Sie sind in Österreich einzigartig, weil sie der erste Upcycling Betrieb waren. Wie kam es zur Idee nicht mehr Benötigtes upzucyceln?

Die Grundidee zu gabarage entstand im Rahmen eines europäischen calls 2002 gegründet, der zum Ziel hatte benachteiligte Personengruppen in den Regelarbeitsmarkt zu integrieren. Das Verlängern von Produktzyklen, das „upcycling“ entstand in Zusammenarbeit mit der Künstlerinnengruppe „Wochenklausur“ und damaligen Kolleginnen des Anton Proksch Instituts – der größten österreichischen Einrichtung zur Behandlung von Personen mit einer Suchterkrankung.  Diese Kombination war zu diesem Zeitpunkt einzigartig in Österreich. 2011 wurde gabarage dann neu aus der Taufe gehoben und erweitert. Damals wie heute landen jährlich Millionen Tonnen an Ressourcen (Möbel, Textilien, Essen etc.) im Müll und es ist klar, dass es hier ein Umdenken braucht. Ein Unternehmen zu schaffen, welches sich sowohl der sozialen als auch der ökologischen Nachhaltigkeit verschreibt, war von Beginn und ist es bis heute, eine Herzensprojekt von mir.

Lehnen von Sesseln und Feuerwehrschläuche werden bei Ihnen zu einer Schaukel, Rolltreppen zu Sofas, Planen zu Rucksäcken und Taschen, Bücher zu Hockern uvm. Wie kommen Sie zu den kreativen Ideen und bei welchen Designprodukten besteht die größte Nachfrage? Sie haben auch einen Online-shop. Wo verkaufen Sie mehr Produkte – online oder in der realen Welt ihrer 3 Shops?

Das Material, das Ausgangsprodukt bestimmt das Endprodukt. Das ist sicherlich das spannende beim Prozess des Upcyclings, des Upcycling design. Unsere Designideen entstehen in Zusammenarbeit mit unserer kreativ-handwerklichen Fachkräfte sowie den Teilnehmer*innen unserer unterschiedlichen Projekte. Auch unsere Jugendprojekte werden in diesen Entwicklungsprozess miteingebunden und daraus wurden auch schon eigene Produkte kreiert. Wir arbeiten aber auch immer wieder mit Designer:innen und Künstler:innen zusammen. Unser Rolltreppensofa entstand zum Beispiel in Kooperation mit dem Designer Michael Hensel.

Zu unseren beliebtesten Produkten zählen unsere Planen-Taschen in verschiedenen Größen und Designs. Hier haben wir uns auf die Verarbeitung sämtlicher Planenmaterialien spezialisiert. Aber auch der Pflanzenübertopf aus Fussbällen, oder unsere Produkte aus alten Büchern – Lampen, Sitzhocker – werden besonders geschätzt. 

Wir verkaufen unsere Produkte überwiegend in unseren Stores weniger im Online-Shop.   

Sie fertigen Ihre Produkte zu 100% in Handarbeit, lokal und regional. Wer arbeitet bei Ihnen und welche Qualifikationen sind dafür nötig? Bilden Sie auch Lehrlinge aus? Wie viele Beschäftigte haben Sie in Ihrem Unternehmen?

Im Betrieb (in den Werkstätten und Produktion, in den Stores, in der Verwaltung und in unseren Küchen) arbeiten Personen, die es aufgrund ihrer unterschiedlicher Lebensbiografien schwieriger haben ihren geeigneten Arbeitsplatz zu finden.

Wir bieten unterschiedliche Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramme, wo diese Menschen wieder einen geregelten Tagesablauf und Arbeitsstruktur erlernen oder wieder erlernen. Sie können bis zur abgeschlossenen Lehre in verschieden Gewerken wie (Tischlerei, Bekleidungsfertigung, Koch/Köchin, Bürokauffrau/Bürokaufmann) bei uns im Unternehmen sein.

Zusätzlich beschäftigen wir Anleitungs-u. Fachpersonal, sowie Sozialarbeiter:innen und psychosoziale Fachkräfte.

Im gesamten Betrieb sind derzeit mehr als 100 Mitarbeiter:innen angestellt.

Eine Tasche entsteht bei gabarage Upcycling.

Wie kommen Sie zu all den Gegenständen, die für die Fertigung der Upcycling-Produkte gebraucht werden? Kann ich auch als Privatperson nicht mehr gebrauchte Gegenstände abgeben? Müssen Sie manchmal auch Material ablehnen?

Die Materialien kommen auf verschiedenen Wegen zu uns. Ob Unternehmen der Wirtschaft und Industrie oder Privatpersonen haben mittlerweile entdeckt, dass Wiederverwenden eine vernünftige und nachhaltige Möglichkeit zu Wegwerfen und Entsorgen ist. Wir bekommen z.B.: Planen und Banner von Großen Events direkt von Firmen, aber auch alte LKW – oder Werbenetzplanen. Wir bekommen von Sportvereinen die Fußbälle für unsere Blumentöpfe oder es sind auch Privatpersonen, die uns Material überlassen. Wir arbeiten mit Betrieben der Kommunen zusammen und manche Materialien müssen wir zukaufen. Wie z. B. für unsere Rolltreppenbänke und -tische. Nachdem unsere Lagerkapazitäten auch begrenzt ist, müssen wir auch manchmal Material ablehnen.

Ihr Unternehmen ist ein gutes Beispiel für gelungene Kreislaufwirtschaft. Können Sie ein paar Zahlen nennen, welche Mengen an Restmaterialien Sie etwa pro Jahr verarbeiten und wie viele Produkte Sie etwa in einem Jahr fertigen?

Wir verarbeiten jährlich ungefähr mehrere Tonnen Restmaterialien zu mehreren Tausend Stück Produkten.

Wie schätzen Sie die Entwicklung und Rolle von Upcycling Produkten in der Zukunft ein? Und welche Vision haben Sie für gabarage?

Die Entwicklung von Upcycling oder Re-Use Produkten ist wichtig, nimmt an Bedeutung zu und wird aus meiner Sicht in Zukunft unumgänglich sein. Seit der Gründungsidee bis heute hat sich der Nachhaltigkeitstrend gesteigert und besteht vielmehr Bewusstsein für Wiederverwendung, Verlängerung von Produktzyklen, Nachhaltigkeit jedoch werden immer noch Millionen Tonnen an wiederverwertbarem Material entsorgt und Fast Fashion, Fast Food, Produktion in Billiglohnländern, etc. sowie Massenkonsum sind immer noch in der Gesellschaft verankert.

gabarage wächst seit seiner Neugründung immer noch und solange Ressourcen verschwendet werden, wiederwertbares Material weggeschmissen wird und Menschen, die kreativ und handwerklich fähig sind, aber ein besonderes Umfeld benötigen, um ihren Platz in der Arbeitswelt und für gleichberechtigte Teilhabe an und in der Gesellschaft benötigen, ist unsere Arbeit lange nicht getan.

Blick in den Shop von gabarage
Blick in den Shop von gabarage

Kurz nachgefragt:

  • Was war ihr bisher prägendster Job?
    Geprägt hat mich die Arbeit mit benachteiligten Personengruppen an der Basis als Sozialarbeiterin. Diese war wichtig für alle weiteren Entwicklungen in meinem beruflichen Kontext bis zur Geschäftsführerin des Anton Proksch Instituts, in meiner Funktion bei gabarage aber auch in meiner Netzwerkarbeit.
  • Welches Upcycling-Produkt haben Sie zu Hause bzw. verwenden Sie am liebsten?
    Eine Vielzahl an gabarage Taschen, drei unterschiedliche Hockerarten, Lampen, eine Outdoorgarnitur, etc. Es gibt eine ganze Menge von Produkten also.
  • Lieber in der Stadt oder am Land leben?
    Bin am Land geborgen und früh in die Stadt gezogen. Daher Stadt, mit der Möglichkeit viel Zeit im Grünen zu verbringen. Was in Wien gegeben ist.
  • Ihr liebster Platz für die Auszeit zwischendurch?
    Im Sommer meine Dachterrasse, im Winter mein Leseplatz mit Blick auf Kirchturm in meiner Nachbarschaft
  • Ihr liebstes Fach in der Schule?
    Deutsch und Geschichte
  • Welche Eigenschaft an Menschen schätzen Sie besonders bei der Zusammenarbeit?
    Ehrlichkeit, Offenheit, Kreativität, Handschlagqualität, Verlässlichkeit
  • Welche 3 Dinge würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen?
    Bücher, Musik, Fotos – wenn es Dinge sein müssen.
  • Ihr persönlicher Nachhaltigkeitstipp ist …
    „Alles braucht eine zweite Chance! Machen mit Sinn“
Gruppenfoto gabarage upcycling

Aktualisiert am 10.06.2025