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Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier

Beitrag von unserer Bloggerin Luise Steininger

Im Interview spricht er u.a. über das Nachhaltigkeitsbewusstsein der ÖsterreicherInnen und eine mögliche Etablierung von umweltrelevanten Themen.

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier

Politikforschung, universitäre Lehre, Medienanalysen, das alles und noch viel mehr zeichnet Univ.-Prof. Dr. Filzmaier aus. Im Interview spricht er u.a. über das Nachhaltigkeitsbewusstsein der ÖsterreicherInnen und eine mögliche Etablierung von umweltrelevanten Themen.

Einerseits Universitäre Lehre und Forschung an der Donau-Universität Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz, andererseits Studien und Strategieberatung als geschäftsführender Alleingesellschafter des Instituts für Strategieanalysen (ISA) und vor allem bekannt aus dem ORF für die Analysen des heimischen Politik- bzw. Wahlgeschehens. Ein sehr breites berufliches Betätigungsfeld kennzeichnet Sie aus. Was würden Sie selbst als Ihre beruflichen Hauptaufgaben sehen?

Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier: Ich bin Wissenschaftler, in all den Aufgabenbereichen in denen ich tätig bin. An der Universität durch Forschung und Lehre sowieso, aber auch in meinem Unternehmen, denn dieses macht erfreulicherweise schon seit ca. einem Jahrzehnt erfolgreich das, wo vorher viele Zweifel hatten: wissenschaftliche Studien und darauf basierend strategische Kommunikationsentwicklung.

Welche Thematik ist dabei für Sie persönlich die spannendste?

Eine Reihenfolge mit Wertung bei unterschiedlichen Studien und anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten ist natürlich heikel und das wechselt auch naturgemäß, aber die Klammer ist schon der Bezug zur Mediendemokratie. Zunehmend jetzt als digitale Demokratie, weil das eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist, die all jene Fachbereiche, mit denen ich mich beschäftige – von der politischen Bildung bis zur Wahlforschung – zentral beeinflusst. Es ist eine nicht nur faszinierende Veränderung, sondern auch eine extrem schnelllebige. Denken Sie wie lange es vom Buchdruck bis zum Radio gedauert hat. Vom breitentauglichen Radio bis zum Fernsehen dauerte es immer noch viele Jahrzehnte. Dann wurde es schon schneller vom Fernsehen bis zum Internet – das Internet ist zwar Ende der 60er Jahre entstanden, war aber damals nur militärisch nutzbar und erst Anfang der 90er Jahre wurden benutzerfreundlichen Oberflächen (Explorer und Netscape) entwickelt – über Web 2.0 bis hin zu Social Media. Das hat unsere Kommunikationsgesellschaft entscheidend geprägt und natürlich speziell meine Forschungsbereiche dramatisch verändert.

Sie beschäftigen sich schon viele Jahre mit der öffentlichen Meinung – auch zu den Themen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit. Was hat sich hier in den letzten Jahren verändert? Sind es heute andere Themen in diesem Bereich, andere Sorgen und Nöte, als noch vor 10 Jahren?

Inhaltlich hat sich vom Grundverständnis beim Umweltthema nichts verändert. Wobei für mich das Grundverständnis – wahrscheinlich auch generationenbedingt – aus dem Jahr 1987, aus dem Brundtland-Bericht ist: Es geht darum die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen zu befriedigen ohne aber jene künftiger Generationen zu gefährden. Das ist für mich immer noch die extrem gut treffende Klammer oder das zentrale Verständnis von Umwelt und Nachhaltigkeit. In der jüngeren Vergangenheit – damit meine ich die letzten Jahre – ist das Umweltthema im Wettbewerb mit anderen Themen generell in den Hintergrund getreten. Spätestens seit 2008/2009 ist das Wirtschaftsthema – von Wirtschafts- bis Eurokrise oder auch möglichen Wiederaufschwung – viel dominanter und es wird auch nicht mehr wie früher als Wirtschaft & Umwelt diskutiert. Das Umweltthema steht eigentlich nur im Katastrophenanlass (Fukushima und Co) im Mittelpunkt, was für mich auch nicht der richtige Zugang ist.

Ich glaube, dass das auch damit zusammenhängt, dass die Themenkarriere des Umweltthemas – es klingt vielleicht ein bisschen paradox, ist aber vielleicht doch logisch – zu erfolgreich war. Man hat nach langen Zeiten der Ignoranz relativ schnell die Bedeutung entdeckt und plötzlich sind alle auf der Lippenbekenntnisebene dafür. Damit ist das Thema aber für den öffentlichen Diskurs, um beispielsweise Parteiunterschiede herauszuarbeiten, weniger interessant. Nur heißt das natürlich nicht, dass das Thema weniger wichtig wäre (ganz im Gegenteil, es ist wichtiger denn je) aber es wird dadurch halt auch nicht unbedingt wirklich etwas gemacht. Es findet nur der öffentliche Diskurs nicht mehr statt, denn wenn niemand mehr die Gegenposition vertritt, dann gibt es nicht Rede und Widerrede – wie bei anderen Themen, von Wirtschaft bis Zuwanderung. Das mag manche Vorteile haben, wenn wenigstens ein Lippenbekenntnis da ist. Meiner Meinung nach tut es aber dem Thema nicht gut, wenn es darum geht wie wichtig es wahrgenommen wird bzw. was und wie viel konkret gemacht wird.

Gibt es irgendeinen zu erwartenden Trend, der sich abzeichnet?

Hier traue ich mir nur eine kurz- und mittelfristige Prognose zu und da sehe ich keine Änderung. Es werden die Themen Wirtschaft und Arbeit im Mittelpunkt bleiben, wellenartig ergänzt durch die Themen Migration und Integration. Außer in Anlassfällen, die wir uns alle nicht wünschen im Umweltbereich, weil das meistens Katastrophen sind, wird das Umweltthema kurz- und mittelfristig nicht behandelt werden. Langfristig vielleicht, es würde aber nur mit einer Langzeitstrategie, mit einem neuen Schub für die Umweltbildung, gehen. Die Umweltbildung hat mehrere solche großen Schritte gemacht – von inexistent über die Umweltbewegung der 80er Jahre um überhaupt einmal bewusst wahrgenommen zu werden. Bis zur viel festeren Verankerung der Umweltbildung (in den Schulen und der Erwachsenenbildung) in den 90er und den 2000er Jahren. Jetzt müsste man – das wäre Aufgabe der Politik – einen solchen Schub planen. Wobei man – und da fehlt mir die Detailkenntnis – aber sicher zwischen den vielen Facetten der Umweltbildung differenzieren müsste. So ist das Thema Energie sicher viel stärker in der öffentlichen Wahrnehmung als andere Bereiche.

Welche Bevölkerungsgruppe fühlt sich von den Themen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit besonders angesprochen? Hat sich die besonders interessierte Zielgruppe in der Vergangenheit geändert?

Da wäre ich bei den sozialwissenschaftlichen Daten vorsichtig, denn wenn man rein quantitativ die Daten ansieht, gibt es kaum Unterschiede. Das wäre auch zahlenmäßig kaum möglich, weil wenn sich 98 Prozent für den Umweltschutz aussprechen ist eine Differenzierung nach regionaler Herkunft, nach Alter, nach Geschlecht, nach formalen Bildungsgrad, … nicht mehr möglich. Wenn man das qualitativ vertiefend erforscht – durch Fokusgruppen und Tiefeninterviews – dann war lange Zeit die gängige These, dass ein steigendes Umweltbewusstsein mit dem formalen Bildungsgrad und damit oft auch mit dem Einkommen korreliert, denn dann kann man es sich auch leisten. Aber man hat festgestellt, dass es auch so sein könnte, dass diese genannte Gruppen – höherer Bildungsgrad, höheres Einkommen, … nur geschickter sind in ihren sozial erwünschten und Prestige-Antworten. Das heißt, die drücken ihre Lippenbekenntnisse einfach besser aus. Allerdings kann man dann aber manchmal froh sein, wenn die überhaupt den Müll trennen. Also ich wäre mir da gar nicht so sicher ob diese Klüfte wirklich so groß sind, wie sie auf den ersten Datenblick erscheinen.

Welche Strategien oder welche Maßnahmen wären Ihrer Meinung nach sonst noch notwendig um das Thema und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit noch mehr zu etablieren? Was ist für Sie der Schlüsselfaktor für eine nachhaltige Entwicklung?

Ich denke, dass die Metaebene eine der zentralen Konfliktlinien unserer Gesellschaft ist, nämlich der Generationenkonflikt. Die Älteren sind, jedenfalls in mittel- und westeuropäischen Ländern, zahlenmäßig viel mehr als die Jüngeren und die frühere Bevölkerungspyramide ist mittlerweile eher Pilz als Pyramide.

Dadurch ist es natürlich so, dass die Mehrheit von ganz nachhaltigen Entwicklungen in ihrem Leben nicht mehr betroffen sein wird. Gleichzeitig haben wir weniger Junge. Das hat viele Facetten des Konflikts – z.B. dass immer weniger Junge im erwerbsfähigen Alter in das Pensionssystem einzahlen. Aber auch den emotionalen Gegensatz, dass die Langzeitbedürfnisse der Jungen generell und das gilt dann auch für Bereiche wo die Nachhaltigkeit eben sehr zählt, zu wenig berücksichtigt sind, während das in vielen Teilen auch umgekehrt ist. Die Älteren haben vieles erkämpft und nach schwierigen Zeiten wiederaufgebaut. Sie haben als Junge noch das Wirtschaftswunder miterlebt und wollen das jetzt auch genießen. Und da – da bin ich jetzt weg von der Umwelt, aber ich sehe hier Nachhaltigkeit viel umfassender, weil auch eine langfristige Finanzierbarkeit des Pensionssystems eine Nachhaltigkeitsfrage ist – ist eine Kluft. Wobei das Problem – und das wäre auch der mögliche Lösungsansatz auf dieser Metaebene – ist, dass diese Generationengruppen keine gemeinsamen Dialogforengruppen haben.

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier

Interview mit Univ.-Prof. Dr. Peter Filzmaier

Sie nützen vollkommen unterschiedliche Medien (Bundesland heute und Snapchat) – eine gemeinsame Nachrichtensendung des Fernsehens gibt es nicht mehr. Sie treffen sich auch kaum oder wenig in Treffpunkten des sozialen Lebens, in Vereinen, Veranstaltungen, … Ich glaube aber, dass das Führen eines Dialogs der Ansatz sein muss. Das Ziel muss ja ein gemeinsames Nachhaltigkeitsbewusstsein sein. Man kann nichts verordnen und schon gar nicht im Sinne von Befehlen – das wird in Lippenbekenntnisse verpuffen. Sondern man müsste aus dem Generationenkonflikt einen Generationendialog machen. Und dann, so meine idealtypische Annahme und vielleicht auch nur Hoffnung, würde sich auch für alle diese Bereiche, wo Nachhaltigkeit wichtig ist, das Thema einfach entwickeln. Ob es immer einen gemeinsamen Nenner gibt, weiß ich nicht – aber es würde zumindest ein Diskussionsprozess darüber entstehen und damit wäre schon viel erreicht. Also jedenfalls mehr als mit den Stereotypen „Die Älteren kümmern sich sowieso nicht um Nachhaltigkeit!“ und „Die Jungen wollen uns das wegnehmen, dass wir uns aufgebaut haben!“.

Wo versuchen Sie selbst in Ihrem Privatleben auf Nachhaltigkeit zu achten? Wo gelingt Ihnen das schon sehr gut und wo gibt es vielleicht noch Verbesserungspotential?

Die Frage ist mir insofern fast zu privat, weil mein Zugang im Privatleben natürlich jener des Familienvaters ist und damit die Verankerung des Gedanken was bedeutet das für Menschen, die noch nicht einmal berufstätig sind, bei mir, glaube ich, in sehr vielen Lebensbereichen mitschwingt und das zu privat ist. Ansonsten sind meine Familie und meine Lebensumstände für die Öffentlichkeit, so sehr ihr dort als Wissenschaftler manchmal bin, uninteressant und das ist auch gut so.

Haben Sie noch einen Tipp, eine Empfehlung, den Sie unseren Leserinnen und Lesern auf deren Weg zu einem nachhaltigen Lebensstil mitgeben möchten?

Nein, denn das wäre ein Kardinalfehler und eine Unsitte, die öffentlich auftretenden Menschen aus meiner Sicht nie tun sollten! Weil ich im Fachgebiet der Politik und Kommunikationswissenschaft öffentlich Expertisen abgebe, habe ich keinerlei Qualifikation, das auch in allen anderen Lebensbereichen zu machen, dem dann unter Scheinexpertentum eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Das will ich nicht, das kann ich vor allem nicht und das wäre auch ähnlich absurd, wie wenn Sie einen Skirennläufer fragen würden, was für Tipps er für das Wahlsystem hat.

Kurz nachgefragt:

  • Welches Buch lesen Sie gerade? In Papierform oder als e-Book?
    Zuletzt habe ich einen Roman aus der Belletristik gelesen: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson. Das Faszinierende an diesem Roman ist, dass zwar die Geschichte relativ banal ist – eben ein Hundertjähriger, der aus dem Altersheim weg geht und nochmal Abenteuer erlebt – aber es werden Rückblenden aus seinem Leben dargestellt, die fast so etwas wie ein historischer Längsschnitt durch die Weltgeschichte, von der schwedischen Politik bis hin zu Politikern von Harry Truman bis zu Mao Tse-tung, die er einmal kennen gelernt hat, sind. Diese einfach sehr gut erzählte Geschichte mit Bezug auf politische Geschichte fand ich faszinierend.
    Dieses Buch habe ich als Printausgabe gelesen, weil ich es geschenkt bekommen habe. Ansonsten bin ich, wenn möglich, ein Umsteiger auf e-Book, da ich extrem viel reise und nur ca. 2 Tage pro Woche an meinem Wohn- und Arbeitsort bin und ich will nicht zum Schwergewichtheber und –träger werden. Einzig im Bereich der Fachliteratur bevorzuge ich Printausgaben – hier blättert man hin und her und notiert sich etwas – das geht elektronisch einfach nicht.
  • Lieblingslaufdistanz?
    Früher habe ich ernsthaft Laufsport betrieben. Generationen- und trainingsbedingt ist meine Lieblingslaufdistanz heute aber viel kürzer als früher.
  • Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die wichtigste?
    das ist privat
  • Was war Ihr bisher lustigster oder seltsamster Job?
    Der lustigste Job, im positivsten Sinne, ist das was ich jetzt mache, weil es mich interessiert, mir großen Spaß macht und in diesem Sinn würde ich lustig interpretieren. Noch dazu kann ich davon sehr gut leben – das ist ein Privileg.
    Ich hatte diverse Studentenjobs – allerdings etwas wirklich bizarres, nach dem Typus Leichenwäscher, war nicht dabei. Das Ungewöhnlichste war letztlich als Botenfahrer quer durch Wien zu fahren.
  • Mit welcher berühmten Persönlichkeit würden Sie gerne einen Kaffee trinken gehen?
    Da klaue ich die Antwort, die in einem solchen Portrait von jemand anderen gefunden habe und ich sehr gut fand: „Wollen Sie jetzt eine politisch korrekte oder eine ehrliche Antwort?“ Die politisch korrekte Antwort ist dann meistens irgendwer vom Papst bis zu anerkannten Friedenspolitikern. Die ehrliche Antwort ist dann der Name einer/eines Schauspielerin/s des jeweilig anderen Geschlechts. Ich will beides nicht mit Namen beantworten, aber diese Schere haben bei dieser Frage wohl alle im Kopf.
  • Eine Meinungsumfrage zu welchem Thema würde Sie persönlich besonders interessieren?
    Als Umfrage gar nicht, sondern als Studie, weil das einen größeren Erkenntniswert impliziert. Mich würden alle Themen der politischen Beteiligung interessieren, aber viel mehr zu über Wahlen hinaus: zu Beteiligungen via Social Media oder über Veranstaltungsformate. All das, was nicht so oft gemessen wird. Also nicht, dass es das nicht gibt, aber da würde ich mir mehr wünschen.
  • Lieblingsstadt außerhalb Österreich?
    Washington DC – die Stadt der Politik
  • Die Ballsaison hat wieder begonnen: aktiver Tänzer oder Fußwipper?
    Weder noch – der letzte Ball auf den ich war ist, glaube ich, nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte her.
  • Die schrägste Frage die Sie bei einem Interview je bekommen haben?
    Es ging um Kritik aus einem Bundesland gegen Brüssel; ein einzelner Landespolitiker hatte die EU kritisiert und ich bekam als erste Frage in einem Interview: „Ob die EU jetzt Sanktionen verhängen würde?“ (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
  • Welche Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten hätten Sie gerne?
    Es gibt unzählige Dinge, die ich gar nicht oder extrem schlecht kann; vom Singen bis zum Tanzen. Aber mir geht davon nichts wirklich ab. Die Kunst ist es mit dem zufrieden zu sein was man kann und viel wichtiger auch anzuerkennen was man nicht kann.

Vielen Dank für das Interview!