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Nachgefragt: Fachsektion Umweltpsychologie

Beitrag von unserer Bloggerin Petra Nemec

Psychologie spielt im Verhalten der Menschen eine große Rolle, besonders wenn es um Änderung von eingespielten Verhaltensmustern geht. So auch, wenn wir unser Verhalten und das tägliche Leben nachhaltiger gestalten wollen.

Mag. Dr. Norman Schmid, vor Flipchart
Die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit ist den meisten Menschen bewusst. Wissen und Fakten alleine bedeuten aber noch keine Verhaltensänderung.

Im Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (BÖP) gibt es die Fachsektion Umweltpsychologie mit dem Ziel, die nachhaltige Transformation der Gesellschaft mit der Expertise der Psychologie voranzutreiben. Wir haben beim Leiter der BÖP Fachsektion Umweltpsychologie und Leiter der BÖP Landesgruppe NÖ Mag. Dr. Norman Schmid nachgefragt:

Was hat Sie dazu motiviert, sich auf Umweltpsychologie zu spezialisieren?
Die Klima- und Umweltkrise wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus, insofern führen die Auswirkungen auf die Menschen zu großen Problemen im Beruf, Privatleben und in der Gesellschaft. Technologische Lösungen zur nachhaltigen Transformation reichen alleine nicht aus. Es braucht besonders engagierte Menschen in den verschiedensten Positionen – von Entscheidungsträger:innen in Politik und Verwaltung über Betriebe bis zur Bürgerin / zum Bürger, die mit nachhaltigen Lösungen vorangehen und andere motivieren, aktiv zu werden. Wie dies gelingen kann, ist ein Thema der Sozialwissenschaften und damit auch der Psychologie. Als Umweltpsychologe dafür einen Beitrag zu leisten, ist meine Hauptmotivation.

Welche psychologischen Auswirkungen haben Umweltprobleme wie Klimawandel und Umweltverschmutzung auf die Menschen?
Die Auswirkungen von Klimakrise und Umweltproblemen betreffen neben den körperlichen Effekten auch die Psyche der Menschen. Dazu zählen Verunsicherungen und Zukunftsängste, aber auch depressive Stimmung, Schlafstörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen, die durch Extremwetterereignissen, wie Überschwemmungen oder Lawinenabgängen ausgelöst werden können. Hinzu kommen eine Zunahme von Stress und Ärger sowie Leistungseinbußen bei Hitzetagen. Dies verstärkt auch wieder soziale Spannungen.
Damit sich der Mensch wohlfühlt und auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene (bio-psycho-sozial) gesund bleiben kann, wird ein gesundes Umfeld benötigt. Dazu zählen Naturerleben, Sicherheit und auch eine ansprechende Umgebung, die das Verweilen im öffentlichen Raum fördert, wie zum Beispiel verkehrsberuhigte Straßen oder naturbelassende Grünräume in der Stadt.

Welche Rolle spielt die Psychologie in der Bewältigung von Umweltproblemen?
Die Psychologie kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um Klima- und Umweltprobleme besser lösen bzw. bewältigen zu können. Es geht um Bewusstseinsbildung, die Förderung von Engagement, Motivation und Commitment für Umweltschutzverhalten. Weiters können Bürger:innenbeteiligungsprozesse unterstützt werden, die zusätzlich zu den positiven Umweltwirkungen auch die sozialen Bindungen in der Nachbarschaft/Kommune/Region stärken können. Weiters geht es um Kommunikation, wie Best Practice Beispiele andere dazu motivieren können, die nachhaltige Transformation als Gewinn und weniger als Bedrohung und Verlust zu sehen. Klima- und Umweltschutz ist somit immer in enger Wechselwirkung mit den Menschen und der Gesellschaft zu betrachten.

Referentinnen und Referenten bei der Podiumsdiskussion Umweltpsychologie

Wie können wir die Zusammenarbeit zwischen Psychologie und Umweltschutz verbessern, um effektivere Lösungen für Umweltprobleme zu entwickeln?
Die Kooperation mit Psychologie und Sozialwissenschaften bei den Transformationprozessen für Klima- und Umweltschutz kann dazu beitragen, dass die Anspruchsgruppen (Stakeholder) frühzeitig eingebunden werden. Dadurch können Lösungen gemeinsam erarbeitet, wodurch die die Umsetzung im Alltag erleichtert wird. Ein Schwerpunkt der Psychologie ist die Kommunikation, Moderation und Förderung von Interaktionsprozessen. Genau diese Prozesse sind für die gelingende Nachhaltigkeits-Transformation von zentraler Bedeutung.

Mit dem Flieger in den Urlaub, Kaffee aus der Kapselmaschine, etc. – wir würden ja gerne anders handeln, aber es funktioniert oft einfach nicht. Den »inneren Schweinehund« kennen wir alle, nicht nur, wenn es um die Umwelt geht.  Wie können wir Menschen dazu motivieren, umweltbewusster zu handeln?
Die Motivation für umweltbewusstes Verhalten ist sehr individuell. Die Pioniere haben im Allgemeinen eine hohe intrinsische Motivation und ein tiefgreifendes Engagement für Klima- und Umweltschutz. Andere sind mitunter ökonomisch orientiert und investieren in erneuerbare Energie (z.B. PV-Anlage), da dies mittelfristig zu Einsparungen führt. Der Umweltschutz ist dabei zweitrangig, der Impact jedoch genauso wertvoll. Wir sehen also, dass die Beweggründe unterschiedlich sind und somit die Förderung der Motivation an verschiedenen Ebenen ansetzen muss. Die Psychologie hat dazu viel Wissen, das bei konkreten Projekten und Kampagnen genutzt werden kann, um einen größeren Hebel zu haben.

Es ist auch wichtig, anzumerken, dass es schwierig ist, immer alles richtig zu machen. Was zählt ist ein übergeordnetes Ziel und festzustellen, wo die größten Klima- und Umwelthebel sind. Das ist im Allgemeinen die Energie, die Gebäude (Heizung, Baumaterialien), die Mobilität, die Ernährung sowie der Konsum. Wir können in allen Bereichen ansetzen, es muss jedoch nicht sofort alles verändert werden. Wenn man Schritt für Schritt vorgeht, macht es mehr Spaß, die Erfolge feiern zu können. Die Möglichkeiten, die jede und jeder einzelne hat, sind oft größer als man denkt. Andererseits ist auch die Motivation von Politik und Entscheidungsträgern (z.B. Geschäftsführung in Betrieben) wichtig, damit umweltverträgliche Rahmenbedingungen hergestellt werden (z.B. öffentlicher Verkehr, Ökostrom in Betrieben, nachhaltige Beschaffung).

Mit unserer Plattform wir-leben-nachhaltig.at möchten wir zu einem nachhaltigen Lebensstil motivieren, was sollten wir dabei aus Sicht der Psychologie besonders beachten?

Wir-leben-nachhaltig hat bereits sehr viel umgesetzt, was aus Sicht der Psychologie zur Motivation für mehr Nachhaltigkeit wichtig ist. Das sind z.B. praktische Tipps, anregende Berichte und motivierende Fotos. Da viele Menschen auch verunsichert sind, welche Maßnahmen wie umweltfreundlich sind, könnten noch mehr Fakten mit konkreten Umweltauswirkungen aufgezeigt werden. Das betrifft z.B. E-Mobilität, Wärmepumpe oder umweltfreundliche Urlaubsreisen. Wenn dies mit persönlichen Berichten ergänzt wird, wird es noch greifbarer (Modelllernen). Weiters ist es wichtig, dass möglichst viele Leser:innen dazu angeregt werden, als Modell bzw. Multiplikator:in sichtbar zu werden, sei es im Freundeskreis, im Beruf oder in der Gemeinde.

Mag. Dr. Norman Schmid, Leiter der BÖP Fachsektion Umweltpsychologie und Leiter der BÖP Landesgruppe NÖ

Kurz nachgefragt:

  • Wer oder was inspiriert Sie?
    Anregende Berichte über Menschen, die neue Wege gehen.
  • Ihr Berufswunsch als Kind war
    Der erste richtige Berufswunsch war Grünraum- und Gartengestaltung, danach Psychologe
  • Darüber habe ich das letzte Mal so richtig lachen können
    Lustige Erlebnisse mit meiner Familie auf Urlaubsreisen
  • Welche drei Eigenschaften an Menschen schätzen Sie besonders bei der Zusammenarbeit?
    Engagement, Verlässlichkeit, Humor
  • Welche Telefonnummer in Ihrem Verzeichnis ist die Wichtigste?
    Von meiner Frau und meinen Kindern.
  • Ich wäre gern für einen Tag
    Psychologe und Unternehmensberater, so wie jetzt auch.
  • Wobei können Sie Kraft tanken und neue Energien gewinnen?
    Bei Sport und Naturerleben mit Familie und Freunden.
  • Welchen Nachhaltigkeitstipp möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern gerne mit auf den Weg geben?
    Probieren Sie neue Wege aus, z.B. mehr Öffis nutzen oder mehr vegetarisch essen, und bewerten Sie nach einigen Wochen, wie das funktioniert hat. Diese Verhaltensexperimente helfen dazu, alte Bahnen zu verlassen und neue umweltfreundliche Muster zu entwickeln. Seien Sie stolz darauf und reden Sie darüber. Sie werden feststellen, dass es Spaß macht, mehr Nachhaltigkeit ins Leben zu bringen. Nebenbei fördert dies auch die Gesundheit, die sozialen Bindungen und trägt zu einer guten Work-Life-Balance bei.

Aktualisiert am 27.03.2024