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Fragen an DIin Cornelia Diesenreiter, MDes von Unverschwendet

Beitrag von unserer Bloggerin Petra Nemec

Die Geschwister Cornelia und Andreas Diesenreiter verarbeiten bei Unverschwendet überschüssiges Obst und Gemüse in Marmelade, Sirup, Chutneys, Eingelegtes, Süß-Saures, Ketchup, Saucen und vieles mehr.

Conelia Diesenreiter sitzt vor ihrem Laden unverschwendet
Lebensmittel sind zu schade für den Müll!

Im März 2016 kamen die Geschwister Cornelia und Andreas Diesenreiter mit ihrem Startup Unverschwendet auf die Idee, überschüssiges Obst und Gemüse in Marmelade, Sirup, Chutneys, Eingelegtes, Süß-Saures, Ketchup, Saucen und vieles mehr zu verwandeln.

Seitdem arbeiten sie und ihr kleines Team am Schwendermarkt im 15.ten Bezirk in Wien erfolgreich an ihrem Konzept, unverkäufliches Obst und Gemüse vor der Entsorgung in der Biotonne zu retten und daraus neue Produkte zu kreieren. Ihre Motivation dahinter: Unverschwendet soll die kulinarische Lösung gegen Lebensmittelverschwendung sein. Denn jährlich werden in Österreich Millionen Kilo Obst und Gemüse weggeworfen.

Ihre Produkte verkaufen sie im eigenen Onlineshop und in Feinkostläden in Wien und Niederösterreich.

Wir haben Frau Cornelia Diesenreiter besucht:

Frau Diesenreiter, wie kamen Sie auf die Idee aktiv zu werden gegen Lebensmittelverschwendung? Gab es einen bestimmten Anlass, eine schlechte Erfahrung, ein Bild in der Zeitung…?

Ich bin gelernte Köchin und habe früher in der Eventgastronomie gearbeitet. Dort habe ich  mitbekommen, wie viele Lebensmittel weggeworfen werden und das war mir schon immer ein Dorn im Auge. Nachher habe ich Recht und Wirtschaft in Salzburg studiert. Meiner Wertigkeit gegenüber Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen wegen bin ich dann an die Universität für Bodenkultur  und habe Umwelt- und Bioressourcenmanagement studiert. In London kam dann noch Nachhaltiges Produktdesign dazu. Dort war das Konzept von Zero Waste und reduce-reuse-recycle schon relativ etabliert und ich habe im Rahmen eines Praktikums bei einer Restmüll-Analyse mitgemacht. Da ist ein Truck mit 1,5 Tonnen Restmüll vor uns ausgeleert worden – wir haben Sicherheitshandschuhe bekommen, und dann haben wir den Abfall in die einzelnen Kategorien eingeteilt. Da waren sicher 400 kg Lebensmittel dabei und das hat mich tiefst berührt. Vorher war mir das Ausmaß des Problems nicht bewusst. Ich habe dann meine Masterarbeit zu dem Thema geschrieben, bin wieder nach Österreich gekommen und habe einen Job in diesem Bereich gesucht.

Da es keinen Job gab, habe mich selbstständig gemacht, was ich eigentlich nie vorhatte. Aber ich wollte unbedingt in diesem Bereich etwas bewegen–  und bin jetzt sehr glücklich darüber.

Sie beziehen Ihr Obst und Gemüse von über 45 verschiedenen landwirtschaftlichen Produzentinnen und Produzenten im Wiener Umland. Wieso landet dieses Obst und Gemüse überhaupt in der Biotonne und nicht im Regal? Und wie erfahren Sie als Unternehmerin rechtzeitig, wann und wo es Überschüsse gibt, die sie ankaufen können?

Die Landwirtschaft ist heute sehr komplex. Der Supermarkt bestellt Tomaten, Kürbisse etc. schon im Februar. Dementsprechend müssen der Bauer und die Bäuerin anbauen. Eigentlich müssen sie 120 – 140 % anbauen, damit sie sicher 100% der Ware in A-Qualität liefern können. Ist es ein gutes Jahr mit wenig Trockenheit oder Befall, dann sind auf einmal 140 % der Waren reif. Und das passiert ja nicht nur in einem Betrieb – und so wird massenhaft gute A-Ware zu viel produziert. Auch kann es passieren, dass dann genau in einem falschen Moment z.B. billigere niederländische oder spanische Tomaten auf den Markt drängen. Dann bleiben die österreichischen ProduzentInnen auf ihren teureren Tomaten sitzen. Das ist der Haupanteil. Natürlich gibt es dann auch noch die Karotten, die ein bisschen zu krumm oder komisch gewachsen sind. Diese dürfen bei uns dann trotzdem in den Topf. Meist arbeiten wir aber mit tadelloser A-Ware, die einfach zu viel produziert wurde.

Am Anfang haben wir noch viel herumtelefoniert. Heute rufen uns die Bäuerinnen und Bauern an. Und da wir mit ihnen schon im März und April sprechen, können wir schon frühzeitig abschätzen, welche Ware und wieviel zur Erntezeit vorhanden sein wird. Wichtig dafür sind eine gute Kommunikation und ein großes Netzwerk.

Wir achten darauf, die Ware anzukaufen. Anfänglich, als wir noch kleine Mengen abgeholt haben, wollten uns viele das Obst und Gemüse schenken, weil sie unser Konzept toll fanden. Mittlerweile nehmen wir mehrere 100 kg ab und als soziales Unternehmen ist es uns wichtig, einen fairen Preis zu zahlen. Es wurde ja viel Arbeit in die Produktion gesteckt.

Kann man feststellen, welche Mängel am häufigsten zum Ausscheiden führen? Was macht Unverschwendet anders, dass sie dieses Obst und Gemüse verarbeiten kann, das für andere VerarbeiterInnen nicht interessant ist?

Überschuss ist der größte Mangel. Es ist einfach mehr da als der Markt aufnehmen kann. Wir haben beispielsweise einen Marillen-Anbaubetrieb, der 35 Tonnen Marillen Überschuss gehabt hat. Und das ist ein einziger Betrieb!Wir vertrauen auf unsere guten Netzwerke und unsere Erfahrung. Ich glaube nicht, das wir irgendwann in die Verlegenheit geraten werden, dass es keine Überschüsse gibt, weil einfach jeder Einzelne überproduzieren muss, damit er dem Markt gerecht werden kann

Conelia Diesenreiter sitzt vor ihrem Laden unverschwendet und hält ein Glas Chutney in der Hand

Von 700 Gläsern 2015 auf bis zu 32.000 Gläser 2018 und damit restlos ausverkauft, lautet ihre positive Entwicklung. Zudem setzten Sie auf Abwechslung und damit auf neue Angebote. Ist das möglich? Sie kennen ja heute die Überschüsse von morgen nicht?

Wir haben uns heuer als großes Ziel gesetzt, alles etwas planbarer und strategischer anzugehen. Wir wissen schon ungefähr, bei welchem Obst und Gemüse es in Österreich sehr viele Überschüsse gibt und welche Produkte daraus spannend wären. Wir haben uns Produkte überlegt, die wir immer produzieren können, also unsere Kernprodukte, auf die man sich verlassen kann. Wir hatten letztes Jahr 32 Sorten. Das ist für ein kleines Start up eine totale Überforderung. Aber es wird bei uns immer Limited Editions geben. Letztes Jahr haben wir Spargel bekommen und eingekocht. Dieser war heuer kein Thema.Heuer ist ein unglaublich gutes Jahr. Das Wetter hat es sehr gut gemeint. Im April hatte es schon sommerliche Temperaturen und deswegen war heuer alles drei bis vier Wochen früher reif. Normalerweise arbeiten wir bis Anfang Oktober an der Produktion. Heuer ist es so, dass wir Anfang September nur noch ein Produkt herzustellen  haben.

Wir würden uns 2019 auch freuen, unser Angebot in neuen Feinkostläden vertreiben zu können, auch in Niederösterreich, weil ja sehr viel von dem Obst und Gemüse, das wir verarbeiten aus Niederösterreich kommt. Man kann sich sehr gerne bei uns melden.

Sie haben sicher die derzeit laufende Einwegflaschendebatte mitverfolgt. Es werden wieder die Glasflaschen und deren Ökobilanz sowie die Verwendung von Mehrweg-Glasverpackungen diskutiert. Können Konsumenten/innen die Unverschwendet-Glasverpackungen wieder zurückgeben?

Leider nein, aber es ist ein wichtiges Thema für uns. Wir haben es bis zum Schluss durchgedacht und dafür ist unsere Produktion zu klein, weil wir die Reinigungsmöglichkeiten noch nicht haben. Dieses Gerät, das wir dazu brauchen würden, um die Gläser wieder komplett steril zu machen, ist so groß wie unser ganzer Marktstand. Und die Sammlung der Gläser österreichweit ist ein großer Aufwand. In Wien nehmen wir die Gläser direkt im Laden auch wieder zurück. Sie werden gereinigt und bei unseren Gläser-Flohmärkten verschenkt. Unsere Gläser können aber sehr wohl zu Hause wiederverwendet werden – für Gewürze etc. Ich verwende sie auch für Teelichter.

Kurz nachgefragt

  • Wo möchten Sie mit Ihrem Unternehmen in 5 Jahren stehen? 
    Unverschwendet soll der Ansprechpartner gegen Lebensmittelverschwendung und für Abfallvermeidung sein. Wir möchten eine umfassende Lösung anbieten, die weit über die Produktion von Feinkost hinausgeht und möchten  Vermittler sein zwischen Bauern und Bäuerinnen und z.B. der Gastronomie, den Produzenten/innen und Privatpersonen, um Überschüsse zu verwerten.
  • Bei Unverschwendet haben Sie viele interessante Geschmackskombinationen im Angebot: Was ist Ihre Lieblingssorte? 
    Zwetschke-Holunder mit Zimt, weil die Rezeptur angelehnt ist an ein Rezept von meiner Oma und das erinnert mich an sie.
  • Das Buch, das Sie zuletzt gelesen haben? 
    Ich lese gerade „The Lean Start up“, ein Ratgeber wie man ein Start up zum Unternehmen umwandeln kann.
  • In Ihrem Kühlschrank findet sich immer….
    Eine Balsamico Essenz, die bei mir auf fast alles drauf kommt.
  • Wohin würden Sie morgen früh verreisen? 
    Zu einem weißen Sandstrand mit Meer und Palmen – ist aber mit der Ökobilanz sehr schwierig.
  • Wer oder was hat Ihren Lebensweg bedeutend beeinflusst? 
    Definitiv meine Eltern, die mich immer unterstützt haben. Die Kraft von hinten und der Rückhalt das haben mir irrsinnig geholfen.
  • Der beste Geruch? 
    Der Geruch von Rhabarber, die Mischung aus sauer, süß und frisch. Und Ingwer.
  • Was ist diese eine Sache, die Sie gerne an dieser Welt ändern möchten? 
    Ich würde mich freuen, wenn wieder mehr Verbundenheit zur Urproduktion und zur Natur entstehen würde. Ich glaube, dass sehr wenig Menschen in der Stadt wissen, wo die Lebensmittel überhaupt herkommen, und wieviel Arbeit hinter der Produktion von Essen und Getränken steckt.
  • Sie sind oft geladene Vortragende zu Nachhaltigkeitsthemen: Was ist Ihr Nachhaltigkeits- Motto? 
    Mir ist es wichtig, einen positiven Zugang zum nachhaltigen Handeln zu schaffen, wie z.B. mit Unverschwendet – eine sanfte Bewusstseinsbildung, die auch Spaß macht. Jeder sollte da anfangen, wo es für ihn/sie selbst am einfachsten ist! Fällt es mir leicht zu recyceln oder fällt es mir leichter zum Einkaufen das Stoffsackerl mitzunehmen.
  • Es wird Zeit für das Wildobst: Quitte oder Hagebutte? 
    Schwierige Entscheidung. Ich habe aber vor kurzem ein Hagebuttenketchup gegessen und mir dabei gedacht, so ein Glas müsste 150 € kosten.

Aktualisiert am 09.01.2024